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Heraus
Forderung

Die Herausforderung der Branche

Die Arbeit an und mit Menschen im Krankenhaus ist durch die Ökonomisierung der Krankenhäuser geprägt und gleichzeitig in vielfältige Digitalisierungsprozesse eingebunden. Was die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit in Pflege und Behandlung betrifft, sehen vorliegende Studien eine zweischneidige Entwicklung. Digitale Geräte können die Arbeit im Krankenhaus erleichtern, doch gleichzeitig nehmen Zeitdruck und Unterbrechungen des Arbeitsablaufs mit dem Grad der Digitalisierung zu (Bräutigam et al. 2017; DGB Index Gute Arbeit 2017). Insgesamt wird der Pflegealltag im Krankenhaus durch eine Vielzahl formalisierter und zunehmend digitalisierter Vorschriften und Instrumente bestimmt. Dabei sind Vorschriften und Instrumente nicht immer kompatibel miteinander, so dass es Medienbrüche gibt. Beispiele sind eine doppelte (analoge und digitale) Dokumentation sowie die Brüche, die entstehen, weil Arbeitsabläufe nicht aufeinander abgestimmt sind. Formalisierte Abläufe setzen die Arbeit an und mit Menschen unter Druck. So leisten Pflegekräfte kompensierende Interaktionsarbeit, um digitale Systeme in die Pflegearbeit zu integrieren. Inwieweit das gelingt, hängt zum einen von der entsprechenden Kompetenz der Pflegekräfte ab, zum anderen von den Handlungsspielräumen, die der formalisierte und digitalisierte Klinikalltag den Beschäftigten lässt (Weihrich/Jungtäubl 2020). Unterbrechungen dieser Art lassen sich potenziell vermeiden.

Nicht vermeiden lassen sich indes Unterbrechungen, die zur Pflegearbeit dazu gehören: „Notfallist im Krankenhaus immer. Denn der Zustand kranker Menschen ist systematisch von Unwägbarkeiten bestimmt: Was im Einzelnen geschieht, ist nicht vorhersehbar, so dass Unterbrechungen von Arbeitsabläufen zum Alltag gehören. In der Notaufnahme wird die festgelegte Reihenfolge unterbrochen, wenn es jemandem plötzlich schlechter geht. Auf Station wird der geplante Arbeitsablauf beständig durch zahllose Vorkommnisse unterbrochen: Patient:innen haben unvorhersehbare Bedürfnisse, ihr Zustand verlangt sofortiges Eingreifen oder mehrere Patient:innen brauchen gleichzeitig Hilfe. Solche Unterbrechungen gehören zur Arbeit im Krankenhaus, so dass sich Krankenhäuser nicht nach dem Vorbild der Arbeitsorganisation in einem Produktionsbetrieb planen lassen. Dennoch wird dies in der Krankenhausorganisation versucht – angetrieben von der Ökonomisierung der Krankenhäuser und den Versprechen der Digitalisierung. So besteht die Gefahr, dass die Interaktionsarbeit zwischen Pflegepersonal und Patient:innen ins Hintertreffen gerät, weil es immer weniger Gelegenheiten für substanzielle Unterbrechungen gibt.

Zitierte Literatur:

Bräutigam, Christoph; Enste, Peter; Evans, Michaela; Hilbert, Josef; Merkel, Sebastian; Öz, Fikret (2017): Digitalisierung im Krankenhaus: mehr Technik – bessere Arbeit? Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.

DGB DGB-Index Gute Arbeit (2018): Der Report 2018 – Schwerpunkt: Interaktionsarbeit. Institut DGB-Index Gute Arbeit. Berlin.

Weihrich, Margit; Jungtäubl, Marc (2020): Situatives Handeln in der stationären Krankenpflege – Wie lässt sich das (selbst) „organisieren“? In: Porschen-Hueck, Stephanie; Jungtäubl, Marc; Weihrich, Margit (Hrsg.): Agilität? Herausforderungen neuer Konzepte der Selbstorganisation. Augsburg/München: Hampp, S. 207-231.

Teil

projekt

Modellhafte Entwicklung und Erprobung von Anwendungsszenarien für ein Unterbrechungsmanagement in der stationären Krankenpflege

Individuelle
Heraus
forderung

Die Herausforderung für das Universitätsklinikum Augsburg

Das Universitätsklinikum Augsburg digitalisiert Arbeitsabläufe und Schnittstellen in allen Bereichen. In diesem Zusammenhang lassen sich verschiedene Arten von Unterbrechungen beobachten: So sind die omnipräsenten technischen Gerätschaften (zur Dokumentation, Überwachung etc.) Ursache für Unterbrechungen vielerlei Art. Des Weiteren treten Medienbrüche auf, wenn teilweise sowohl digital als auch analog dokumentiert werden muss. Denn bestimmte Bereiche der Arbeit in der Pflege sind (noch) nicht digitalisiert – oder gar nicht digitalisierbar. Besonders interessant für unser Forschungs- und Gestaltungsprojekt sind Unterbrechungen, die dadurch entstehen, dass Geräte und Systeme unzureichend an die Arbeit an und mit Menschen angepasst sind. Das trifft zum Beispiel auf die digital unterstützte Pflegedokumentation zu: Mobile Visitenwägen ermöglichen die Dokumentation am Krankenbett. Diese soll die Dokumentationsqualität verbessern und dabei auch die Nähe zu den Patient:innen fördern. Doch der Einsatz der Visitenwägen verträgt sich nicht von selbst mit der Arbeit an und mit Menschen. Die mitzuführenden Gerätschaften fordern selbst Zeit und Aufmerksamkeit; die Pflegekräfte müssen den Patient:innen erklären, was sie da gerade tun; und sie befürchten, dass sich Patient:innen durch die digitalisierte Dokumentationstätigkeit überwacht fühlen könnten. So stört die mobile Visite die Interaktion zwischen Patientin und Pflegekraft und wird selbst zu Unterbrechungsquelle (siehe hierzu Weihrich/Jungtäubl 2020; Jungtäubl/Weihrich/Kuchenbaur 2018).

Darüber hinaus unterbrechen Patient:innen die Arbeitsabläufe im Krankenhaus, weil ihnen Informationen über Untersuchungstermine, Visitenzeiten von Ärzt:innen oder Behandlungszeiten von Therapeut:innen fehlen. Unterbrechungen durch Nachfragen von Patient:innen und Angehörigen gehören zur professionellen (Pflege-)Arbeit im Krankenhaus und sollen und können nicht abgestellt werden, wenn es um Fragen zum eigenen gesundheitlichen Zustand geht, die eine dialogische Bearbeitung erfordern – hierzu gehören auch Trost und der Umgang mit Ängsten. Doch die Nachfragen zu den oben genannten Themen sind oftmals Unterbrechungen, die sich vermeiden ließen, wenn der Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stationen oder (Funktions-)Bereichen verbessert werden würde.

Das Universitätsklinikum Augsburg entwickelt Anwendungsszenarien, die sich z.B. auf die Umgestaltung digitaler Dokumentationssysteme oder auf neuartige Informationssysteme für Patient:innen richten. Damit leistet das Universitätsklinikum Augsburg einen zentralen Beitrag zum Ziel von UMDIA, Dienstleistungsbeziehungen unterbrechungssensibel und belastungsarm zu gestalten und das Potenzial der Digitalisierung hierfür zu nutzen.

Zitierte Literatur:

Jungtäubl, Marc; Weihrich, Margit; Kuchenbaur, Marco (2018): Digital forcierte Formalisierung und ihre Auswirkungen auf die Interaktionsarbeit in der stationären Krankenpflege. In: Arbeits- und Industriesoziologische Studien (AIS), Jahrgang 11, Heft 2, Oktober 2018, S. 176-191.

Weihrich, Margit; Jungtäubl, Marc (2020): Situatives Handeln in der stationären Krankenpflege – Wie lässt sich das (selbst) „organisieren“? In: Porschen-Hueck, Stephanie; Jungtäubl, Marc; Weihrich, Margit (Hrsg.): Agilität? Herausforderungen neuer Konzepte der Selbstorganisation. Augsburg/München: Hampp, S. 207-231.

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